Das 28. Regime: EU plant eigenen Staat für Konzerne

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Das „28. Regime“ ist für kaum jemanden ein Begriff. Es ist der Name für einen neuen Staat, den die EU aktuell gründet – ein virtuelles Konstrukt für Großkonzerne, die damit ein Rechtssystem jenseits nationaler Gesetzgebung erhalten.

21. Oktober 2025von Thomas Oysmüller tkp.at

Als Ursula von der Leyen am 10. September ihre Rede zur „Lage der Union“ präsentierte, ging es hauptsächlich um Krieg und Aufrüstung. Aber sie sagte auch: „Für innovative Unternehmen bereiten wir das 28. Regime vor.“ Die meisten dürften diesen Satz überhört haben, doch hinter dem 28. Regime verbirgt sich ein weiterer Angriff auf die Souveränität der Mitgliedsstaaten – es soll die nationale Gesetzgebung für Firmen und Unternehmen aushebeln. Alle rechtlichen Bereiche sind abgedeckt.

Nationales Recht adé

Der Plan gewinnt im Hintergrund an Zustimmung und nimmt Fahrt auf, ganz ohne größere Debatte, wie für die EU üblich. Angestoßen von Mario Draghi, der wie viele andere eine Harmonisierung des EU-Binnenmarkts fordert, hat die Kommission offenbar eine Idee: Man will ein fiktives Mitgliedsland gründen, das „28. Regime“, als 28. Mitgliedsland. Statt nationaler Gesetze könnten Unternehmen dann zu diesem „Recht“ wechseln.

Damit will man die Fragmentierung in Bereichen wie Zivil- und Gesellschaftsrecht, Steuern und Insolvenz bekämpfen. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass etwa nationale Arbeitnehmerrechte ebenso begraben werden könnten. Zunächst soll es für „Start-ups“ und „innovative Firmen“ gelten, aber Lobbygruppen wie BusinessEurope und EuroCommerce drängen schon jetzt auf eine Ausweitung auf alle Unternehmen.

Historisch baut es auf gescheiterten EU-Versuchen auf wie der Societas Europaea (SE) von 2004, die hauptsächlich von deutschen Konzernen genutzt wurde, um Arbeitnehmerbeteiligung zu umgehen. Ähnliche Pläne sind bisher immer an Arbeitnehmerrechten gescheitert. Das Europäische Parlament unterstützt das Konzept: Der Rechtsausschuss übernahm am 30. Juni 2025 die EU-Inc-Vorschläge.

Gewerkschaften sind dagegen. Der deutsche DGB und die dänische Konföderation warnten in der Konsultation vor einer Umgehung des Arbeitsrechts. Die Europäische Gewerkschaftskonföderation (EGK) lehnte im März 2025 arbeitsrechtliche Regelungen ab, um nationale Schutzstandards zu wahren.

Die NGO Corporate Europe Observatory spricht von einem „Sozialdumping-Desaster“, das Lobbyinteressen bedient. Camille Adam, EU-Expertin und Autorin eines Threads auf X, der viral ging, nennt es einen „Tod für französische Arbeiter“. In ihrem 25-teiligen Post warnt sie: „Ein virtueller Staat, der für Sozialdumping gebaut wird.“ Laut Adam würden Gewerkschaften und Linke durch Abwesenheit und Ignoranz glänzen.

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Das „28. Regime“ wäre zwar optional, aber durch Vorteile de facto obligatorisch. Nationale Gesetze würden dadurch völlig obsolet. EU-Kritiker weisen zudem darauf hin, dass es politisch keine Notwendigkeit dafür gibt. Der EU-Markt ist bereits integrierter als der US-amerikanische – obwohl es dort 51 unterschiedliche Regime gibt.

Was sich hinter dem 28. Regime also wirklich verstecken dürfte? Man kann an die Worte des österreichischen Vizekanzlers Andreas Babler erinnern, lange bevor er es in die Spitzenpolitik geschafft hat. Er sprach von der EU als einem „neoliberalen, protektionistischen Konstrukt“. Nun jubeln Konzerne und Unternehmen darüber, dass sie bald einen eigenen „EU-Staat“ bekommen könnten – wohl nicht, um die Bürgerrechte zu schützen, sondern die Rechte der Konzerne.

Die Kommission plant erste Schritte Anfang 2026, zunächst bei Online-Gründungen, gefolgt von sensiblen Bereichen wie Arbeit und Steuern. Die Frage, wo die Souveränität der nationalen Mitgliedsstaaten dabei bleibt, dürfte gar nicht erst diskutiert werden.

Bild European Parliament, Behind the scenes – European Parliament in Strasbourg – 54845105900CC BY 4.0

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